Tjark Ulrich Honken Evers (ca. 21. Dezember 1845 – 23. Dezember 1866) war ein junger Seemann von der deutschen Nordseeinsel Baltrum. Seine tragische Geschichte, die ihn zu einer Legende in Ostfriesland machte, ist gut dokumentiert und hat in Literatur und Musik Eingang gefunden.
Frühes Leben und Hintergrund
Tjark Evers wurde auf der Insel Baltrum geboren und wuchs dort auf. Er war der Sohn von Kapitän H. E. Evers und hatte eine enge Bindung zu seiner Familie und seiner Heimat. Wie viele junge Männer seiner Zeit, strebte er eine Karriere in der Seefahrt an und arbeitete als Schiffer.
Die Tragödie
Am 21. Dezember 1866, kurz vor Weihnachten, wollte Tjark Evers von der Insel Langeoog nach Baltrum zurückkehren, um das Fest mit seiner Familie zu verbringen. Aufgrund dichten Nebels und der schwierigen Sichtverhältnisse setzten ihn die Fährmänner jedoch versehentlich auf einer Sandbank im Wattenmeer ab, anstatt ihn sicher nach Baltrum zu bringen. Diese Sandbank, auch «Plat» genannt, wird bei Flut vollständig überspült und ist nur bei Ebbe sichtbar.
Als Evers sich seines tragischen Schicksals bewusst wurde, war es bereits zu spät. Die Fährmänner hatten abgelegt und waren nicht mehr in Sicht. In seiner Verzweiflung griff Evers zu seinem Notizbuch und begann, einen Abschiedsbrief an seine Familie zu schreiben. Diese Zeilen legte er in eine Zigarrenkiste, die er eigentlich als Geschenk für seinen Vater mitgebracht hatte. Der Brief enthielt herzzerreissende Worte des Abschieds und der Hoffnung, dass seine Familie die Nachricht erhalten würde:
„Liebe Mutter! Gott tröste Dich, denn Dein Sohn ist nicht mehr. Ich stehe hier und bitte Gott um Vergebung meiner Sünden. Seid alle gegrüßt. Ich habe das Wasser jetzt bis an die Knie, ich muß gleich ertrinken, denn Hülfe ist nicht mehr da. Gott sei mir Sünder gnädig. Es ist 9 Uhr, Ihr geht gleich zur Kirche, bittet nur für mich Armen, dass Gott mir gnädig sei.
– Abschiedsbrief von Tjark Evers
Liebe Eltern, Gebrüder und Schwestern, ich stehe hier auf einer Plat und muß ertrinken, ich bekomme euch nicht wieder zu sehen und ihr mich nicht. Gott erbarme sich über mich und tröste euch. Ich stecke dieses Buch in eine Sigarren Kiste. Gott gebe, daß Ihr die Zeilen von meiner Hand erhaltet. Ich grüße euch zum letzten Mal. Gott vergebe mir meine Sünden und nehme mich zu sich in sein Himmelreich. Amen.
An Schiffer H. E. Evers Baltrum
T U H Evers
Ich bin T. Evers von Baltrum.
Der Finder wird gebeten, dieses Buch meinen Eltern zuzuschicken an Cpt. H. E. Evers Insel Baltrum“
Das Ende und die Folgen
Evers wusste, dass ihm nur noch wenige Stunden blieben, bevor die Flut zurückkehren und die Sandbank überspülen würde. Er rief in den Nebel, hoffte auf ein Wunder, doch Hilfe war nicht in Sicht. Schliesslich verschwand er in den Fluten, und sein Leichnam wurde nie gefunden. Die Zigarrenkiste mit seinem Abschiedsbrief wurde anderthalb Wochen später am Strand von Wangerooge angespült und bestätigte das schreckliche Schicksal für seine Familie.
Nachwirkung und Vermächtnis
Die Geschichte von Tjark Evers wurde in der ostfriesischen Folklore zu einer Legende. Sie wurde immer wieder in Literatur und Musik verarbeitet, darunter auch in einem Lied der Band Schandmaul, das die tragischen Ereignisse nacherzählt . Seit 2015 erinnert eine Skulptur auf seiner Heimatinsel Baltrum an ihn, und im dortigen Museum im Alten Zollhaus können Besucher die Zeilen lesen, die Evers kurz vor seinem Tod schrieb.
Die Geschichte von Tjark Evers ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Gefahren des Wattenmeers und der unvorhersehbaren Naturgewalten, die das Leben der Menschen in dieser Region seit Jahrhunderten prägen. Sie bleibt eine bewegende Erinnerung an die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens und die Kraft des menschlichen Geistes in Zeiten grösster Not.
